Die Ursachen der im folgenden beschriebenen Methoden, eine defekte technische Vorrichtung zum Funktionieren
zu bringen, liegen vermutlich irgendwo verborgen in unserem tiefsten Inneren. Eingebettet in den Abgründen,
man könnte auch sagen im Sumpf, des Unterbewußtseins.
Es handelt sich wohl um jene Subroutinen die wir irgendwann von unseren Ur-Vorfahren ererbt haben und
letztlich der allgegenwärtigen menschlichen Neugier entspringen.
Aufgrund dessen ist niemand wirklich in der Lage sich dieser Art von Entdeckerdrang auf Dauer zu entziehen.
Das Ritual der empirischen, beziehungsweise intuitiven Fehlersuche, verursacht stets eine ganz
besondere art von Nervenkitzel. Es wurde (und wird) mit den unterschiedlichsten Mitteln vollzogen,
getrieben von der Hoffnung doch noch irgendwie zum ersehnten Ziel zu kommen...
Schließlich kann man nie wissen, ob und wann, geschweige denn wo man etwas findet - und über das
"warum" nachzudenken, wäre schlichtweg glatte Zeitverschwendung.
Um es auszuüben, bedarf es weder teurer und komplizierter Meßtechnik, noch ist der Besuch
nervenaufreibender Lehrgänge erforderlich.
Auch das Vorhandensein technischer Unterlagen (geschweige denn deren Verständnis) ist vollkommen unnötig, ja in manchen Fällen sogar
schädlich.
Das Verfahren an sich ist unkompliziert, schnell sowie ortsunabhängig durchführbar, und man kann
es an nahezu allen Gerätschaften praktizieren.
Allerdings: Die Effizienz dieser Methode ist prinzipbedingt relativ begrenzt und nicht zuletzt aufgrund
unvorhersehbarer Nebenwirkungen in Fachkreisen heftig umstritten.
Dennoch hat sie nicht nur bei uns Technikern, sondern in allen Bevölkerungsgruppen ihre
begeisterten Anhänger (und Anhängerinnen!) gefunden.
Nachfolgend möchte ich einmal den möglichen Ablauf einer empirischen Fehlersuche an elektronischen
Geräten beschreiben. Die Abfolge an sich ist selbstverständlich vollkommen undogmatisch zu sehen und wäre
sicher auch auf andere Dinge des täglichen Lebens anwendbar.
Sollte sich der eine oder andere Leser hierbei wieder erkennen, wäre das aber rein zufällig...
Das für defekt erklärte Objekt, der Delinquent wider Willen also, wird für gewöhnlich zunächst
einer gründlichen äußeren Besichtigung unterzogen. Ist nichts verdächtiges erkennbar, setzt man das
Subjekt unter Strom.
Das ist nicht immer so einfach wie es für den Laien scheinen mag. Vor allem Gleichspannungsanschlüsse haben ihre Tücken.
Gar nicht selten muss deshalb der Reparaturversuch (zunächst) aufgrund pötzlich aufsteigenden Rauches, eines
mehr oder weniger lauten Knalls und/oder pulverisierter Sicherungselemente abrupt abgebrochen werden.
Ist diese erste Hürde aber erfolgreich gemeistert, wird es ernst: Mit oder ohne Schlagwerkzeug
folgt das fachmännische abtasten in Form von Beklopfen. Übrigens: Besonders wirkungsvoll ist diese Handlung, wenn sie vor
technikunkundigen Personen durchgeführt wird.
Gekonnt lässig eingeworfene Bemerkungen wie etwa: "Da ist irgendwo ein Wackler!" oder "Sicher nur
eine kalte Lötstelle..." - garniert mit tiefen Seufzern sind in diesem Stadium der
(geplanten) Instandsetzung äußerst publikumswirksam.
Denn: Sie verschaffen rasch den nötigen Respekt, steigern die Spannung und sorgen nicht zuletzt für die
erforderliche Handlungsfreiheit.
Vor allem Schalter, Tasten und Drehknöpfe (sofern vorhanden) üben eine geradezu magische Anziehungskraft auf den
Reparateur aus. In kaum vorstellbaren Kombinationen werden sie unablässig in rascher Folge
betätigt.
Der Blutdruck steigt, und falls sich nach intensiven und allseitigem Wirken der gewünschte Erfolg absolut nicht
einstellen will, wird das Teil, sofern dessen Beschaffenheit und Größe das ermöglicht, erst
einmal ordentlich durchgeschüttelt. Selbst Faustschläge und Fußtritte, in Verbindung mit allerlei wüsten Kraftausdrücken...,
sind in dieser Phase nicht ungewöhnlich.
Tut sich dennoch nichts, kommt es zum Showdown.
Nahezu unausweichlich "Jetzt will ich´s aber wissen!!" folgt der Versuch in das Innere vorzudringen.
Im einfachsten Fall geht so etwas mit aufschrauben.
Doch ach! Bei vielen Kleingeräten haben sich die listigen Hersteller inzwischen allerlei Hemmnisse
ausgedacht, die einen schnellen Zugang zum allerheiligsten verwehren sollen.
Unter anderem sind gewöhnliche Schrauben im Zuge der allgemeinen Globalisierung nahezu
ausgestorben. Sie wurden im Verlauf der rasanten technischen Evolution durch allerlei kunstvoll geformte und
nur mit ganz hochspeziellen teuren Werkzeugen zu bewegende Metallschnörkel ersetzt, welche oft
noch unter irgendwelchen Aufklebern verborgen sind.
Bei Kunststoffgehäusen gelangt gern die sogenannte "Snap-In" Technik zum
Einsatz. Der Fachmann versteht darunter die vielen Haken, Ösen, Nasen und Näschen welche sich meist am Rand
der Gehäuse befinden.
Sowohl deren Anzahl, Form und - besonders wichtig - Stellen an denen diese Befestigungsteile angebracht sind,
bleiben selbstverständlich das ewige Geheimnis der Produzenten.
Auch verklebte, verschweißte ober vergossene Gehäuse sind mittlerweile keine Seltenheit mehr.
Natürlich stellen solche Kleinigkeiten für einen zur Reparatur zutiefst entschlossenen
Destruktor kein wirkliches Hindernis dar! Gemäß der altgedienten Parole: "Der Kurs
ist klar - Die Richtung stimmt", erfolgt unverzüglich der Griff zum Schraubendreher oder Hammer.
Ein kurzes Knirschen und Knacken, meist noch untermalt von üblen Flüchen sowie dem Geräusch
splitternder Plastikteile, und das Mysterium ist gelüftet.
Jetzt folgt für gewöhnlich der Moment des Innehaltens, der Entspannung und auch des Staunens.
Der Sieg scheint nahe. In einem Anflug von Vorfreude und zur Beschleunigung der Entscheidungsfindung
genehmigt man sich womöglich sogar einen kleinen Schluck...
Beim andächtigen Blick in die elektronischen Eingeweide ("Was sind das eigentlich da alles
für Teile?!") erhebt sich natürlich die Frage:
Weitermachen oder nicht? Doch im Grunde stand das ja bereits vor Beginn der Aktion fest!
Vom Ehrgeiz geradezu durchdrungen wird nun an allen zugänglichen Kabeln, Steckern und sonstigen
vorstehenden Teilen... je nach Mentalität, Gemütsverfassung und Wetterlage, gerupft und gezupft,
gebogen und gezogen.
Besonders beliebt, wenn auch nicht ganz ungefährlich, ist das mehr oder weniger wahl- und ziellose herumstochern mit
blanken Schraubendrehern und ähnlichen Werkzeugen. Puristen ziehen es selbstverständlich vor die Versorgungsspannung
bei solchen Handlungen eingeschaltet zu lassen - man will schließlich sehen ob was passiert...
Jetzt endlich wird sich zeigen, ob man der scheinbar entseelten Materie doch noch ein Lebenszeichen
abringen kann!
Das Ende des Geschehens möge hier einmal offen bleiben, weil:
Gerechterweise muß ich sagen, daß ein kleiner Teil solcherart
malträtierter Geräte am Ende der Prozedur tatsächlich wieder funktioniert!
Tja, Fehlersuche im technischen Bereich ist heutzutage, vielleicht einmal abgesehen von der Besiedlung des
Mars und der Überwindung der Lichtgeschwindigkeit, die wohl letzte große Herausforderung für
die Menschheit.